Bushaltestellen in Estland – eine Liebeserklärung
Bushaltestellen haben es mir immer schon angetan. Vielleicht weil sie für mich als Radlerin so etwas wie Schutzhütten sind. Bei Regen bieten sie Unterschlupf, bei Sonnenschein ein schattiges Sitzplätzchen fürs Picknick. Den Esten scheint es ähnlich zu gehen. Es brauchte eine Weile bis ich das erkannte. Erst mussten wir bei unserer Radtour durch Estland über die Haltestellen schmunzeln, die da plötzlich an der Landstraße auftauchten. Kein Haus in Sicht weit und breit. Aber ein Name auf dem Bushaltestellen-Schild. Ein Hinweis darauf, dass hier irgendwo ein Hof oder eine kleine Ansiedlung sein musste. Und weil über weite Strecken, die wir durch die estnischen Kiefernwaldschluchten fuhren, kaum etwas zu sehen war, schenkten wir den Haltestellen zunehmend mehr Aufmerksamkeit. Es waren zuerst die Namen, in die ich mich verliebte. Sie klangen nach verzauberten Orten: Suurküla, Vilivalla, Pahapilli. Dazu kam, je weiter wir uns von der Hauptstadt Tallinn entfernten, desto mehr entwickelten sich die Haltestellen zu wohnlichen Wartesälen.
Auf der Insel Saarema passierte es dann. An einer Wegkreuzung stand ein malerisches Hüttchen, unter dessen Dachkante ein roter Wasserkessel einladend herabhing. Als ich zum Fotografieren näher heranging, entdeckte ich eine Zeichnung.
Was war das, da unten am Eingang? Stand da ein kleiner Bär? Und wo schaute der so versonnen hin? Ich ging näher heran und siehe da, um die Ecke neben dem Eingang zum Warteraum war noch ein weiterer Eingang. Da ging es zum „Rat Pub“. Und ich verstand: Das war kein Bär, das war eine Katze, die dort auf Beute lauerte, die fröhlich beschwingt irgendwann aus der Kneipe kommen würde. Das war der Augenblick, wo meine Verliebtheit in Liebe umschlug. Die estnischen Bushaltestellen hatten mein Herz erobert.
Von da an freute ich mich schon, wenn ich von ferne eine Bushaltestelle erspähte. Was für eine Überraschung hatte sie wohl parat? Einmal war es eine Schaukel, dann bot ein Pilz sein Dach als Schutz an. Eine Haltestelle widmete sich den einheimischen Wiesen mit ihren Pflanzen und Insekten, die nächste hatte sich mit Farbbändern heraus geschmückt. Eine bot im Inneren Lesestoff an und zu guter Letzt hatte sich eine kunstvoll als Stopp für ein anderes Transportmittel herausgeputzt. Sie versuchte Segelschiffe zum Halt zu bewegen.
Hier sind sie versammelt:
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