Flieder zum Herrentag

Ich plaudere mich durch die Gegend. Wie wunderbar, durch ein Land zu reisen, dessen Sprache ich spreche.
Es beginnt beim Gemüsehändler am Wegrand in Vogelsang. Nur zwei Äpfel und eine kleine Salatgurke könne er mir gar nicht verkaufen, meint er und legt für einen Euro noch 4 Aprikosen dazu.

Mit den Äpfeln vom Hof seiner Schwester habe sein Gemüsestand angefangen, berichtet er. Jetzt gehört er zum Ort dazu. Und wie zur Bestätigung hält ein schwerer schwarzer Landrover an. „Morgen Guido“, wird der Fahrer begrüßt.
Die Frau, die vor mir bei ihm einkaufte, treffe ich beim ‚Erbbegräbnis‘ wieder. Ein Strauß dunkellila Flieder prangt auf dem Grab, das sie gießt. Heute sei doch Herrentag. „Da ist Flieder Pflicht“, sagt sie und wässert mit dem Rest aus der Kanne noch die Nachbargräber. Sie stammt von hier und kennt alle. Die Adelsfamilie, die im als Sehenswürdigkeit in der Landkarte verzeichneten sogenannten Erbbegräbnis liegt, allerdings auch nur aus der Geschichte.
Der Vatertag heißt hier Herrentag und erinnert damit (wie ich finde) mehr an seinen Ursprung: Die Himmelfahrt des Herrn Jesus Christus. Die Herren hier fahren an diesem Tag bevorzugt Pferdewagen oder Fahrrad. Viele haben am Lenker Fliedersträuße. „Früher waren mehr unterwegs“, erzählt mir einer der drei Männer aus Ahlbeck, die ich am Teufelsgraben (wo der Herr ist, ist auch der Teufel nicht weit ;-)) antreffe.

Das angebotene Schnäpschen lehne ich ab, dafür nehme ich eine Stunde später den angebotenen Kuchen einer Pferdewagen-Gruppe gerne an. Die sechsköpfige Runde hat auch die Damen dabei. Beim Kirschkuchen mit Zuckerglasur erfahre ich mehr. Sie kommen aus Grünhof und betreiben dort den namensgebenden Hof.  „Wir haben ausserdem noch Schweine, Hühner, Enten und Tauben. Alles, was sich essen lässt“, sagt die Bäuerin lachend. „Auch die Tauben?“, frage ich.  „Na klar“, kommt die prompte Antwort. Das nenne ich mal eine schmackhafte Art, dem zermürbenden Gurren ein Ende zu bereiten. Darauf gibt es auch hier eine Runde Schnäpschen.

Den ich wieder dankend ablehne und die letzten 15 km in Angriff nehme. Der Höhepunkt ist dann die Eroberung des schönsten Zimmers im Haus am See. Das wiederum verdanke ich der Plauderei mit dem Hotelpersonal. Die Kellnerin überredet den Kollegen, als er zögert, mir das letzte noch freie Zimmer mit Seeblick zu geben, weil es eigentlich immer nur an zwei Personen vergeben wird. „Sie ist doch drei Nächte hier,“ meint sie zwinkernd. Und so hab ich jetzt das schönste Zimmer des Hauses. Sag mir noch jemand, dass Norddeutsche kühl und distanziert seien. Ich bin nach diesem munter mit Einheimischen durchplauderten Tag von dem Vorurteil auf immer befreit.

3 Kommentare
  1. Klaus Weiher
    Klaus Weiher sagte:

    Liebe Sibylle,
    als plaudernde Grenzfahrerin löst Du die Zungen der
    Einheimischen und wirst herzlich beschenkt!
    Das ist super und wirft schöne Geschichten für die Zuhausgebliebenen ab, der ich einer bin.
    Viel Spaß und Plauderei weiterhin!
    HG Klaus

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  2. Ariane
    Ariane sagte:

    Sibylle, endlich ein Blog?
    Das klingt ja fabelhaft! Hab’s weiter fein, triff noch viele nette Menschen und berichte uns davon!

    Liebe Grüße
    Ariane

    Antworten

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